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Dividenden: Zwischen Hype und Realität

Michael Müller • Feb. 18, 2024

Doch nicht alles Gold, was glänzt?


Wenn man sich in den sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder TikTok über das Thema Geldanlage informiert, sticht ein Begriff immer wieder ganz besonders heraus. Die Dividende…

Was steckt hinter diesem Hype? Sind Dividenden und Aktien, die solche ausschütten, wirklich der Weisheit letzter Schluss?


Dieser Fragen gehe ich heute etwas näher auf den Grund. Möglicherweise rüttle ich dabei an den Grundüberzeugungen einiger Investoren.



Bevor wir näher darauf eingehen, schauen wir zunächst was Dividenden eigentlich sind:


Was sind Dividenden?

Dividenden sind nichts anderes als Gewinnausschüttungen von Unternehmen an ihre Aktionäre, die einen Teil des erzielten Reingewinns repräsentieren. Sie werden in der Regel in bar ausgezahlt, können aber auch (eher selten) in Form von zusätzlichen Aktien erfolgen. Die Höhe der Dividende hängt in erster Linie von der Höhe des jeweiligen Jahresgewinns ab, wird vom Vorstand des Unternehmens vorgeschlagen und muss von den Aktionären auf der Hauptversammlung genehmigt werden. Dividenden dienen als Anreiz und Belohnung für Investoren, die in das Unternehmen investiert haben, und spiegeln oft dessen finanzielle Gesundheit und Ertragskraft wider.


Dividenden werden pro Aktie ausgeschüttet, was bedeutet, dass die Höhe der erhaltenen Dividende direkt von der Anzahl der gehaltenen Aktien abhängt. Die Auszahlung erfolgt zu festgelegten Terminen, meist vierteljährlich (eher in den USA), halbjährlich oder jährlich (der klassische Fall in Deutschland). Die Dividendenrendite, ein wichtiger Indikator für Anleger, misst dabei das Verhältnis der jährlichen Dividende zum aktuellen Aktienkurs und gibt Aufschluss über die Rentabilität einer Investition in das Unternehmen.



Die Anziehungskraft von Dividenden

Die Aussagen variieren kaum. „Dividenden sichern mir ein passives Einkommen“, „Dividenden stellen einen zusätzlichen Gewinn dar“. „Zwar sind Dividenden nicht wirklich ein zusätzlicher Gewinn, aber der durch die Ausschüttung verursachte Kursrückgang wird schnell kompensiert.“. „Investitionen in Dividendenaktien sind stabiler und erleiden während Krisenzeiten geringere Verluste.“


Kurz: Sowohl Anleger als auch insbesondere Finanzinfluencer feiern die Dividende und setzen bei der Vermögensbildung verstärkt auf Strategien, die Dividenden einbeziehen.


Der Anreiz ist auf dem ersten Blick völlig nachvollziehbar: Dividenden erscheinen als ein extra Ertrag, der Investoren das Gefühl vermittelt, unmittelbar am Unternehmenserfolg teilzuhaben. Dividenden bieten neben der Möglichkeit auf Wertsteigerungen eine spürbare Rendite – das regelmäßige "Kassieren" von Geld auf dem eigenen Konto ist sichtbar und gibt ein gutes Gefühl. Diese psychologische Wirkung ist insbesondere bei neuen Investoren stark, die durch soziale Medien mit der Welt der Investments in Kontakt kommen.


Je häufiger über ein Thema gesprochen wird und je mehr Personen sich daran beteiligen, desto glaubwürdiger erscheint es. Dabei wird oft übersehen, dass der Wettbewerb um Klicks und Aufmerksamkeit in sozialen Netzwerken so intensiv ist, dass immer mehr Personen auf einen Trend aufspringen und über dieselben Inhalte berichten, in der Hoffnung, einen Anteil der Reichweite und vom Erfolg zu erlangen.


Haben Sie sich nicht bereits gefragt, warum keiner der historisch erfolgreichsten Investoren eine Strategie rund um Dividenden verfolgt hat? Sicherlich mag der ein oder andere jetzt an Warren Buffet denken. Aber nein, auch Mr. Buffet setzt nicht auf eine Dividendenstrategie. Wäre er ein besonderer Befürworter von Dividenden, hätte sein Unternehmen vielleicht schon einmal selbst eine solche ausgeschüttet.


Warum auch ich nicht auf Dividenden setze

Obwohl sie große Beliebtheit genießen, gibt es schwerwiegende Argumente, die gegen die Annahme sprechen, Dividenden seien das Allheilmittel, als das sie oft angesehen werden. Argumente, weswegen ich mich klar gegen Dividendenstrategien entschieden habe.


Dividenden nur steuerpflichtige Kursabschläge?

Wenn ein Unternehmen Dividenden an seine Aktionäre ausschüttet, verringert sich am Ausschüttungstag der Kurswert der Aktie um den Betrag der Dividende. Angenommen, eine Aktie war am Tag vor der Dividendenausschüttung noch 110€ wert und es wird eine Dividende von 3,5€ gezahlt, dann beträgt der Kurs der Aktie (Marktschwankungen nicht berücksichtigt) nur noch 106,50€. Dein Depotwert hat somit abgenommen.


Der Differenzbetrag, sprich die Dividende, wurde zwar auf dein Konto gebucht, jedoch ist dies nicht die ganze Geschichte. Etwa ein Viertel deiner Dividende ging direkt ans Finanzamt. Somit verfügst du jetzt insgesamt über weniger Kapital aus deiner Anlage, als noch am Vortag, obwohl du weiterhin in die gleiche Anzahl an Aktien des Unternehmens investiert bist und sich der Markt nicht verändert hat.


Somit stellt die Dividende primär nichts anderes dar als einen steuerpflichtigen Kursabschlag.



Dividendenzahlungen hemmen das Gewinnwachstum

Hast du schon einmal den Satz gehört: „Eine Dividende kann nur ein Unternehmen ausschütten, das zuverlässig stabile Gewinne erwirtschaftet.“?


Unterstellen wir einmal, dass die Dividende tatsächlich aus den jährlichen erwirtschafteten Gewinnen ausgeschüttet wird und nicht aus Reserven oder gar Eigenkapital.


Dann ist diese Aussage zunächst einmal korrekt. Doch hier kommt das große ABER:

Ein Unternehmen, das Jahr für Jahr stabil gleichbleibende Gewinne erzielt, wie wird es sich langfristig an der Börse entwickeln? Korrekt, es verzeichnet ein Wachstum von exakt 0%.

 

Für einen steigenden Aktienkurs bedarf es nicht nur stabile Unternehmensgewinne, sondern konstant steigende. Denn niemand wäre bereit, im nächsten Jahr mehr für ein Unternehmen zu bezahlen, wenn sich der prognostizierte Wert des Unternehmens nicht verändert. Ein Unternehmen benötigt eine Gewinndynamik, keine Statik.


Und da kommen wir nämlich zur Krux. Ein Unternehmen, das einen bedeutenden Teil seines Gewinns an die Aktionäre ausschüttet, kann diese Mittel nicht für Innovation und Wachstum einsetzen.


Und was geschieht üblicherweise mit Unternehmen, die nicht wachsen und innovativ bleiben? Sie werden zumindest von der Konkurrenz überholt.


Aber vielleicht ist das nur ein Bauchgefühl und keine bewiesene Tatsache.


Schauen wir uns eine Aktien-Liste des S&P500 an. 

Wenn wir uns die 50 leistungsstärksten Aktien der letzten fünf Jahre im S&P 500 ansehen, fällt auf, dass diese entweder eine sehr niedrige Dividendenrendite aufweisen oder sogar keine Dividende ausschütten. Aktien, die eine vergleichsweise hohe Dividende zahlen, finden sich hingegen eher am unteren Ende der Performance-Liste, unter den letzten 100.


Dividenden-Werte vs. Marktrendite

„Aber es gibt doch Dividendenaktien, die langfristig im Kurs steigen“, könntest du jetzt denken.


Das stimmt durchaus.

Vielleicht denkst du jetzt an Unternehmen wie Nestlé, Johnson & Johnson oder Coca-Cola. Ja, all diese Unternehmen sind langfristig gestiegen – allerdings weniger als der Gesamtmarkt. Selbst mit einer hypothetischen 100%igen Reinvestition der Dividenden, was faktisch unmöglich ist, da ein Teil der Dividende durch Steuern verloren geht, bleibt der S&P 500 zumeist vorn. Berücksichtigt man Dividenden in der Entwicklung des Index (der S&P500 ist ein Kursindex), würde sich der Rückstand der Einzelaktien noch weiter vergrößern.


Allgemein gesagt neigen Dividendenwerte langfristig oft zu einer weniger starken Kurssteigerung.

Deshalb ist es gerade für Anleger am Beginn ihres Vermögensaufbaus weniger empfehlenswert, in Dividendenwerte zu investieren. In einer Phase, in der das Einkommen es erlaubt, aktiv Kapital zu bilden, einer Illusion von passivem Zusatzeinkommen nachzujagen und dann die Dividenden wieder aktiv reinvestieren zu müssen, erscheint mir widersinnig.


In den meisten Fällen ist es daher sogar klüger, direkt in einen ETF auf den MSCI World zu investieren, statt sich auf die Suche nach Dividendentiteln zu begeben.


Große Vermögen und Einkommensquellen

Der Traum, vollständig von Dividendeneinnahmen zu leben und somit ein passives Einkommen zu generieren, ist weit verbreitet unter Anlegern.


Aber ist dieser Ansatz tatsächlich sinnvoll?


Lassen Sie uns dies anhand einer Beispielrechnung betrachten:

Angenommen, Investor A benötigt jährlich 36.000€ netto zum Leben und möchte diesen Betrag ausschließlich über Dividendeneinnahmen finanzieren. Dafür benötigt er etwa 49.000€ Bruttodividende, da ungefähr 13.000€ an Steuern abgeführt werden müssen.

Bei einer angenommenen Dividendenrendite von 3% müsste der Anleger somit ein Vermögen von 1,63 Mio€ investieren.


Seien wir fair und nehmen an, dass sowohl die Dividendenaktien als auch ein ETF eine Rendite von 3% erbringen.


Ein anderer Investor, nennen wir ihn Anleger B, investiert ebenfalls 1,63 Mio€ in einen ETF und entnimmt jährlich 49.000€, indem er einen kleinen Teil seiner Anteile verkauft, anstatt Dividenden zu erhalten.


Wer kann wohl mehr von diesen 49.000€ für sich behalten?


Betrachten wir die Details: Anleger B hat ursprünglich 16.300 ETF-Anteile zu je 100€ gekauft. Diese Anteile sind um 3% auf 103€ pro Anteil gestiegen. Um 49.000€ zu entnehmen, verkauft er also 475 Anteile zu je 103€.


Besteuert wird hier nur der anteilige Gewinn aus dem Verkauf, also 475 Anteile mal 3€ Gewinn pro Anteil = 1.425€ steuerpflichtiger Gewinn. Darauf zahlt er etwa 376€ Steuern.


Anleger B kann also von seinen 49.000€ Entnahmen 48.624€ behalten.

Zwar steigt der steuerpflichtige Anteile jährlich ein wenig an. Einen 100% steuerpflichtigen Anteil wird er jedoch nie erreichen.


Ich bleibe dabei: Auch für größere Vermögen existieren effizientere Strategien als die Dividendenstrategie.



Fazit:

Trotz der allgegenwärtigen Begeisterung für Dividenden in der Welt der sozialen Medien, ist es entscheidend, eigene Überlegungen anzustellen. Wie ich meinen Töchtern immer wieder sage: „Die lauteste Person im Raum ist nur selten die klügste.“


Es gibt durchaus Aktien mit starken Dividenden, die den Markt langfristig übertreffen. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist McDonald's. Doch selbst eine solche Aktie kann in einem Portfolio voller Underperformer leicht untergehen.


Deshalb sollte die Dividende nicht als klassische Anlagestrategie betrachtet werden, sondern eher als eines von vielen Auswahlkriterien. Eine vollumfängliche Anlagestrategie beinhaltet klare Regeln sowohl für den Einstieg in ein Investment als auch für den Ausstieg und basiert nicht allein auf dem Wert einer Kennzahl wie die Dividendenrendite oder dem KGV.

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