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Das trügerische Märchen vom "Buy-and-Hold"

Michael Müller • Jan. 10, 2024

Oder warum das Ganze nicht immer die Summe aller Teile ist.

Kostolany und Aktien

Liebe Leserinnen und Leser,


"Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich", diese Kostolany-Weisheit kennen sicher die meisten Anleger. Ein Blick auf die Langzeitentwicklung von DAX, S&P 500 oder MSCI World scheint ihm auf den ersten Blick vollends Recht zu geben.


Aber Achtung, der Schein kann trügen. Denn, was wir da betrachten, sind Indizes, keine Einzelaktien. Es ist eine gewichtete Auswahl an Aktien, die erfolgreich sind. Sozusagen ein Best-of-Album mit erfolgreichen Hits. Sobald ein Titel floppt, fliegt er von der Playlist und wird durch einen neuen Hit ersetzt.


Indizes verfolgen also eher eine dynamische Trendfolgestrategie. Irgendwie doch nicht so passiv, wie es ETFs, die sich darauf stützen, uns glauben machen. Noch interessanter wird es durch die meistens verwendete Marktkapitalisierungsgewichtung, die so etwas wie einen versteckten Momentum-Effekt bewirkt. Mit anderen Worten: Je erfolgreicher und größer ein Unternehmen geworden ist, desto höher wiegt dessen Gewicht.


Index ist nicht gleich Marktbreite


In der heutigen Zeit, in der Indizes bei Anlegern hoch im Kurs stehen, verliert man schnell den Blick für die wahre Breite des Marktes. Ein deutlich aufschlussreicheres Bild lieferte die 2008 veröffentlichte Studie „The Capitalism Distribution“ von Blackstar Funds. Sie nahm alle 8054 in einem Zeitraum von 1983 bis 2007 gelisteten US-Aktien des Russel 3000 unter die Lupe, einschließlich jener, die irgendwann aus der Playlist verdrängt wurden von der Bildfläche verschwanden.


Die Ergebnisse sind erstaunlich:

  • 18,5% aller Aktien verloren mehr als 75% ihres Wertes.
  • 39% brachten negative Renditen.
  • 64% schnitten schlechter ab als der Russell 3000.
  • 18,5% stiegen um mindestens 300%.
Aktienperformance

Das zeigt deutlich: Rund 37% der Aktien waren entweder riesige Flops oder große Hits.


Die schlechtesten 6000 Aktien brachten dabei kumuliert eine Nullrendite, während die besten 2000 für alle Gewinne standen.

collective returns

Aber vielleicht ist der Betrachtungszeitraum auch nur sehr ungünstig gewählt und die Datenmenge zu gering. Schließlich liegt ja die große Anomalie der dot-com-Blase genau in dieser Periode und was sind schon 24 Jahre...


Bestätigung durch neue Studien


Hendrik Bessembinder's Studie „Do Stocks Outperform Treasury Bills?“ aus den Folgejahren, die einen Zeitraum von 1926 bis 2016 und 26.000 Aktien umfasst, bestätigt diese Muster. Hierin wurde untersucht ob Aktien überhaupt einen Renditevorteil gegenüber 1-Monats-Treasury-Bills haben. Also gegenüber einer Anlage vergleichbar mit einem heutigen Tagesgeldkonto.


Die Ergebnisse waren sogar noch eindeutiger:


Nur 42,6 % der Aktien haben eine Buy-and-Hold-Rendite (einschließlich reinvestierter Dividenden), die die Rendite für das Halten von 1-Monats-Treasury-Bills über den entsprechenden Zeithorizont übersteigt. 96% aller Aktien lieferten eine kumulierte Rendite von zusammen 0%. Lediglich 4% aller Aktien sind mit ihren großen Gewinnen für den gesamten Anstieg des Aktienmarktes verantwortlich.

buy and hold returns

Noch verblüffender: Knapp 10% davon, etwa 90 Aktien, repräsentierten schon die Hälfte des Gesamtzuwachses an Marktkapitalisierung.


Globaler Trend


Bessembinder und Team haben sich auch weltweit umgeschaut und über die Jahre 1990 bis 2018 insgesamt mehr als 61.000 Aktien untersucht. Ihr 2019er Paper Do Global Stocks Outperform US Treasury Bills? offenbart: Global ist die Verteilung der Renditen von Einzelaktien noch extremer als in den USA.


Nur 1,33% der weltweit gelisteten Unternehmen trugen zum gesamten

Vermögenszuwachs bei. Die durchschnittlichen Aktienrenditen waren zwar in allen

42 untersuchten Ländern positiv – jedoch nur dank einiger weniger, aber sehr

starker Gewinner.

buy and hold returns worldwide

Weniger als 46% der weltweiten Aktien hatten grundsätzlich eine positive Rendite und davon wiederum lediglich ca. 40 Prozent eine Rendite, die über 1-Monats-Treasury-Bills (ähnlich einem Tagesgeldkonto) lag.

 

Die Learnings für Investoren


Diese Einblicke zeigen, wie unterschiedlich die langfristige Verteilung von Aktienrenditen im Vergleich zu kurzfristigen sein kann. Zwar haben die meisten Aktien auch teils längere Phasen, in denen sie steigen und scheinbar für ein Investment attraktiv sind. Als langfristig lohnendes Investment zeigten sich rückblickend jedoch nur die allerwenigsten.


Und sollte solch eine Aktie einmal den Weg ins Depot findet, verhindert häufig der starke Fokus auf kurzfristige Renditen, dass Anleger von diesen langen und starken Zuwächsen profitieren.

Die Herausforderung besteht also nicht nur darin, solche Aktien aufzuspüren, sondern auch darin, sie langfristig zu behalten. Und sie nicht aufgrund hoher erzielter Gewinne oder vermeidlich hohen Bewertungen wieder zu verkaufen.


Damit Aktien immer wieder in der Lage sind neue Hochs auszubilden (denn nur so entstehen weitere Gewinne) müssen die entsprechenden Unternehmen grundsolide sein. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass auch diese Aktie mehr und mehr an Substanz verliert und in der Bedeutungslosigkeit verschwindet.

Einfach irgendetwas "billig kaufen" kann daher sehr riskant sein. Die Aktie könnte sich womöglich bereits auf dem absteigenden Ast befinden.


Indizes: Kluge Trendfolger


Indizes, die sich langfristig gut entwickelt haben, folgen genau dieser Logik: Sie nehmen Gewinner auf und werfen Verlierer ab. Ein Kauf bei (Allzeit-)Hochs ist daher nicht unbedingt eine schlechte Idee, auch wenn es kurzfristig den Anschein haben mag. Möglicherweise ist das heutige Allzeithoch rückblickend betrachtet lediglich eine winzige Stufe auf einer langen, hoch hinaufführenden Treppe.


Man sollte die Wahrscheinlichkeit, eine neue Amazon oder Meta zu finden und tatsächlich lange zu behalten, nicht überschätzen. Jede solcher tollen Aktien geht früher oder später durch eine lange oder tiefe Korrektur, in der man die Nerven nicht verlieren darf. Und ob es sich jedoch tatsächlich nur um eine starke Zwischenkorrektur oder eben dem Beginn des absteigenden Astes gehandelt hat, wissen wir erst im Nachhinein.


Die Erkenntnisse aus diesem Beitrag können sicher sehr ernüchternd sein. Doch sie decken sich mit meinen Beobachtungen unzähliger Anleger und meiner Erfahrung aus mehr als 20 Jahren an der Börse.


In den letzten Minuten hast du u.a. erfahren, dass Indizes nicht mit dem breiten Markt gleichzusetzen sind. Indizes sind bereits eine Art Trendfolgestrategie auf eine große Anzahl von Aktien. Daher schlagen Indizes langfristig den breiten Aktienmarkt. Eine Investition in Indizes (ETFs) mit einer breiteren Diversifikation ist somit für viele Anleger durchaus keine falsche Wahl.


Darf es etwas mehr sein?


Anleger, die hingegen eine Überrendite gegenüber Indizes anstreben, benötigen einen zusätzlichen Wettbewerbsvorteil. Eine aktive Anlagestrategie auf trendstarke Aktien, sei es mittels Momentum-Ansatz, Trendumkehr nach einem Rücksetzer oder trendfolgend nach einem Ausbruch,  kann einen solchen Vorteil bieten. Denn auch die besten Aktien dieser Welt steigen nicht gleichmäßig und unaufhaltsam, sondern durchlaufen klassische Marktmuster von denen Anlagestrategien profitieren.


Die sehr wenigen Anleger, die konsequent ihre Anlagestrategien durch Höhen und Tiefen beibehalten, können auf lange Sicht bemerkenswerte Überrenditen erzielen – und das nicht nur im Vergleich zum Gesamtmarkt, sondern auch im Vergleich zu den Indizes.


Investment-Ikonen wie Warren Buffet, Peter Lynch und Benjamin Graham symbolisieren diese Investitionsphilosophie perfekt. Sie verkörpern langfristige Ansätze, feste Regeln und die unerschütterliche Disziplin, diesen treu zu bleiben.

 

Fazit:

Anleger stehen vor der Wahl: dauerhaft und ausdauernd passiv oder in eine aktive Anlagestrategie auf trendstarke Aktien investieren.

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